Multimodale Therapie: Gegen Schmerzen können Medikamente ein Segen sein. Heutzutage gibt es aber auch Therapien mit interdisziplinärem Ansatz - Voraussetzung ist nur: Der Patient lässt sich darauf ein.
Mit einer Tablette sind die Schmerzen in Armen oder Beinen weg? Schön wäre es, doch so einfach ist es leider nicht immer - und vor allem ist es oft auch nicht zu empfehlen, sich einfach nur eine Pille gegen den Schmerz einzuwerfen.
Prof. Winfried Meißner ist Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft. Er sagt: "Leichte Schmerzen sollten nicht primär mit Schmerzmitteln behandelt werden." Bei stärkeren akuten oder chronischen Schmerzen stellten sie aber oft einen von mehreren Bausteinen einer erfolgreichen Therapie dar.
Generell gilt laut Meißner mit Blick auf Schmerzmittel immer: "So niedrig wie nötig, so kurz wie möglich."
Manche Schmerzmedikamente können offenbar verhindern, dass aus vorübergehenden Schmerzen dauerhafte und damit chronische werden. "Das kann zum Beispiel nach Operationsschmerzen der Fall sein", so Meißner. Trotzdem sollte man immer wieder Auslassversuche machen - also probieren, ob es nicht auch ohne Schmerzmittel geht.
Kein Entweder-oder bei der Therapie
Bei der Behandlung chronischer Schmerzen sollte es laut Meißner nie um Entweder-oder gehen. "Wir sehen nichtmedikamentöse Verfahren nicht als Alternative an, sondern als Ergänzung, also als komplementäre Schmerztherapien", erklärt Meißner. Doch wie bei Medikamenten gilt auch hier: Sie müssen richtig ausgewählt sein. "Denn neben wirkungsvollen Verfahren gibt es leider auch viel Humbug", sagt Meißner, der auch Leiter der Sektion Schmerztherapie am Universitätsklinikum Jena ist. Hinzu kommt, dass es "häufig erhebliche Defizite und Fehlbehandlungen bei Schmerzbehandlungen gibt", sagt Jan-Henrich Stork, chefärztlicher Leiter einer multimodalen stationären und tagesklinischen Schmerztherapie am Krankenhaus Tabea in Hamburg.
Verschiedene Fachbereiche arbeiten zusammen
So mangele es zwar nicht an Konzepten zur Schmerzbehandlung, aber sie würden in der ambulanten Versorgung kaum umgesetzt, so Stork. Häufig dominierten monodisziplinäre Diagnostik- und Therapieansätze. Aus seiner Sicht ist es besser, wenn verschiedene medizinische Fachbereiche an dieser Stelle zusammenarbeiten.
"Zunächst einmal sollte eine Schmerztherapie durch den Hausarzt, Orthopäden oder Internisten begonnen werden", sagt Stork. Kommt es zu keiner Linderung, steht eine ambulante spezialisierte Therapie bei einem Schmerztherapeuten an.
Hier wird der Ursache auf den Grund gegangen - und dann wird entschieden, welche Form der Therapie angebracht ist.
Körper und Geist sollten aktiv sein
Grundvoraussetzungen einer erfolgreichen Schmerztherapie sind laut Winfried Meißner körperliche und geistige Eigenaktivitäten wie Schwimmen, Yoga und Qigong.
"Aber: Die Kombination macht's", sagt Meißner. Man sollte sich beraten lassen. Nicht alle Verfahren seien bei allen Problemen gleich hilfreich. Denn genau wie bei Medikamenten kann es auch hier eine Unter- oder Überdosierung geben.
Als eher "passive" Verfahren gelten zum Beispiel Massagen. "Sie können kurzfristig hilfreich sein, langfristig können sie aber auch zu Inaktivität beitragen", sagt Meißner. "Aktive Verfahren sind daher meist wirksamer." Entspannungstechniken wiederum sind dem Experten zufolge eine „hervorragende Möglichkeit“, unabhängig von Ort und Behandler die Schmerzwahrnehmung zu verändern.
Vor allem aber seien Physio-, Psycho- und Ergotherapie zentrale Bestandteile der Therapie chronischer Schmerzen. "Wichtig ist, dass diese Verfahren sinnvoll kombiniert werden und nicht unkoordiniert nebeneinander herlaufen", sagt Meißner. Bei chronischen Schmerzen geschehe das am besten bei einer multimodalen Schmerztherapie.
Die multimodale Schmerztherapie
Hier müssen die Behandler ihre Verfahren miteinander abstimmen. Laut Definition beinhaltet sie eine Behandlung chronischer Schmerzen unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen.
"Es werden Schmerz-, Physio- und Psychotherapeuten miteinander kombiniert. Auch die Orthopädie ist dabei, deren Expertisen zum Beispiel Patienten mit chronischen Bewegungsschmerzen ganzheitlich helfen können", erläutert Jan-Henrich Stork. Die Therapie könne bis zu 14 Tagen stationär oder vier Wochen in einer Tagesklinik dauern. Stork und seine Kolleginnen und Kollegen in Hamburg arbeiten nach dem sogenannten bio-psycho-sozialen Schmerzmodell. Das berücksichtigt die körperliche, also biologische, die psychische und die soziale Ebene eines Menschen.
"Wir betrachten den Schmerz also nicht eindimensional als reine Erkrankung", erklärt Stork, "sondern wir setzen ihn in Beziehung zu individuellen körperlichen, seelischen und sozialen Folgen sowie Auswirkungen auf den Alltag."
Behandlung mit vielen Facetten
Dementsprechend besteht die Behandlung aus ärztlicher Therapie und psychologischen sowie psychotherapeutischen Verfahren, Physiotherapie und vor allem auch aus Schulungen zum Thema Schmerz. Verletzungen und Operationen, die der Patient in der Vergangenheit hatte, fließen in die Therapie ebenso ein wie genetische Dispositionen und Einstellungen sowie Denkmuster des Patienten.
Eines haben alle Schmerztherapien gemeinsam: "Die Patienten müssen in der Lage und bereit sein, wieder in die Bewegung kommen zu wollen", sagt Stork. Sie müssten sich darauf einlassen, ihre chronische Schmerzerkrankung aktiv selber verbessern zu wollen.
Für Sie gefunden: Von Angelika Mayr, dpa 2021
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