POLITIK:
Berlin – Die Vorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, hat für mehr gesellschaftliche Anerkennung für Menschen mit Downsyndrom geworben. Menschen mit Trisomie 21 hätten der Gesellschaft viel zu geben, „als Musiker, als Schauspieler oder als Bedienung in einem Restaurant und vor allem als Mensch“, sagte die ehemalige Bundesgesundheitsministerin und SPD-Bundestagsabgeordnete.
„Stattdessen ist es heute Alltag, dass Eltern eines Kindes mit Downsyndrom gefragt werden, ob sie ,das’ denn nicht gewusst hätten – wobei der Abbruch der Schwangerschaft gleich mitgedacht wird.“ Schmidt äußerte sich vor einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute im Caritas-Zentrum Köln-Kalk, wo die Kanzlerin die vom Downsyndrom betroffene Natalie Dedreux treffen wird. Die damals 19-Jährige hatte im September 2017 einen viel beachteten Auftritt in der ARD-„Wahlkampfarena“, als sie Merkel auf den Umgang mit Trisomie 21 ansprach.
Nicht bemitleidenswert
„Frau Dedreux zeigt eindrucksvoll, dass Menschen sich klar und mutig für ihre Anliegen einsetzen können – auch wenn sie mit Trisomie 21 leben“, sagte die Vorsitzende der Lebenshilfe. „Mit ihrer selbstbewussten und lebensfrohen Art widerlegt sie das Bild von Menschen mit Behinderung als bemitleidenswert und Opfer eines schweren Schicksals.“
Schätzungen zufolge werden neun von zehn Föten mit dem Verdacht auf Trisomie 21 abgetrieben. „Sich für einen Abbruch zu entscheiden, ist immer schwierig und hat zumeist sehr persönliche Gründe“, sagte Schmidt. Von Eltern eines Kindes mit Trisomie 21 höre sie aber immer wieder, „dass sie sich viel weniger Sorgen gemacht hätten, wenn sie schon früher gewusst hätten, wie das Leben mit und für ihr Kind mit Downsyndrom ist“.
Skeptisch äußerte sich Schmidt zu Überlegungen, dass Krankenkassen künftig Bluttests in der Schwangerschaft zur Früherkennung des Downsyndroms bezahlen. 18 Prozent der Befunde seien falsch, sagte die Lebenshilfe-Vorsitzende. Der Test sei zwar sinnvoll für Frauen mit einem besonderen Risiko auf ein Kind mit Downsyndrom und sollte dann auch von der Krankenkasse bezahlt werden.
„Den Test für alle Frauen ohne spezifisches Risiko zu bezahlen, hieße dagegen, eine Reihenuntersuchung auf Downsyndrom einzuführen“, warnte Schmidt. „Das wäre das Signal: Wir als Gesellschaft suchen systematisch nach Menschen mit Downsyndrom, um eine Abtreibung zu ermöglichen.“
Zufrieden zeigte Schmidt sich mit den Plänen der großen Koalition, betreuten Menschen mit Behinderung künftig das Wahlrecht einzuräumen. Dabei geht es um rund 80.000 Menschen. „Ich bin froh, dass wir dies im Koalitionsvertrag vereinbart haben und die Koalitionsfraktionen dies nach der Sommerpause auf den Weg bringen wollen“, sagte Schmidt.
Quelle: afp/aerzteblatt.de