Ohne es zu merken, knirschen viele Menschen mit den Zähnen. Das schadet mitunter nicht nur dem Gebiss. Aber Betroffene können gegensteuern. Speziell geschulte Physiotherapeuten können helfen.
Eigentlich sollten die Zähne nur beim Essen aufeinander treffen. Eigentlich. Doch jeder Zweite knirscht laut Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zumindest ab und an, jeder Fünfte sogar regelmäßig mit den Zähnen. Manche pressen sie nur in der Nacht aufeinander, andere auch am Tag. Mediziner nennen das Bruxismus.
Die Belastung für das Gebiss ist dabei wesentlich höher als beim Kauen: „Der Druck kann bei bis zu 600 Kilogramm pro Quadratzentimeter und mehr liegen“, sagt Prof. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK. Das schadet – nicht immer nur den Zähnen.
Wer knirscht oder die Zähne aufeinanderpresst, schmirgelt Schneide- und Eckzähne ab und Kauflächen glatt. „Zahnhartsubstanz geht verloren, die Zähne verlieren ihre ursprüngliche Form“, warnt Oesterreich. Die Zähne reagieren dann zum Beispiel schmerzempfindlich auf Wärme oder Kälte. Stücke vom Zahn oder auch Kronen und Füllungen können herausbrechen, ganze Zähne reißen.
Manchmal gibt sich das Knirschen oder Pressen von selbst. „Bei Kindern ist das oft nach wenigen Monaten beim Zahndurchbruch wieder vorbei“, sagt Oesterreich. Auch mit dem Alter nimmt Bruxismus ab. Knirscht jemand über einen längeren Zeitraum, bekommt er in der Regel eine Aufbissschiene aus Kunststoff für die Nacht. Die sogenannte Okklusionsschiene schützt die Zähne, indem sie den Druck, der beim Knirschen und Pressen entsteht, verteilt. Außerdem bewahrt sie die Zähne vor weiterer Abnutzung.
Die Schiene wird an das eigene Gebiss angepasst. Trotzdem empfinden sie viele Patienten erst einmal als Fremdkörper, erklärt Dirk Kropp, Geschäftsführer der Initiative proDente. Nach ein paar Tagen haben sich die meisten aber daran gewöhnt.
Wer nachts knirscht, merkt das oft auch am nächsten Morgen: „Die Kaumuskulatur kann bei 20 bis 30 Prozent der Patienten schmerzen, der Kiefer fühlt sich an wie eingerostet, und beim Öffnen knackt es etwas“, sagt Oesterreich. Der Schmerz kann auch in den Nacken ziehen, und manche bekommen Kopfschmerzen vor allem im Bereich der Schläfen, ergänzt Michael Preibsch, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Physiotherapie.
Speziell geschulte Physiotherapeuten können helfen, die Beschwerden zu lindern. Abhängig von der genauen Diagnose wird die Kaumuskulatur massiert, gedehnt oder bewegt, erklärt Preibsch.
Aber auch zu Hause können Knirscher etwas gegen den verspannten und schmerzenden Kiefer tun: beispielsweise den Schläfen- und Wangenbereich mit einem feuchten Waschlappen wärmen. „Dann kann man die Kaumuskulatur mit den Daumen mit tiefen, langsamen Bewegungen massieren“, empfiehlt Preibsch. Auch Gähnen hilft – das entspannt die Mundmuskulatur.
All das bekämpft jedoch letztlich nur das Symptom – nicht die Ursache. Und die heißt meistens: Stress. „Man beißt sich im wahrsten Sinne des Wortes durch und versucht, dem Stress ein Ventil zu geben“, erklärt Kropp.
Um gegenzusteuern sollten Knirscher versuchen, herauszufinden, was genau sie stresst. Dann können sie nach gesünderen Ventilen suchen. Michael Preibsch rät zu autogenem Training oder einer anderen Entspannungstechnik. Manchmal kann aber auch professionelle physiotherapeutische Hilfe nötig sein.
Wer am Tage knirscht, sollte sich fragen, in welchen Situationen er zubeißt. „Bei Tätigkeiten, die sehr viel Konzentration oder körperliche Anstrengung erfordern, immer mal an die Zähne denken“, empfiehlt Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.
Um sich regelmäßig an die Kieferentspannung zu erinnern, helfe es manchen zum Beispiel, einen gelben Zettel in eine Ecke ihres Rechners zu heften. Immer, wenn man mit der Maus darüber fährt, entspannt man einmal ganz bewusst den Kiefer. Michael Preibsch rät zu einer Erinnerung im Handy oder am PC. Betroffene lassen sich einfach jede Stunde eine Nachricht schicken: „Lass deinen Kiefer locker“.